Lange ist es her, dass Arjen Anthony Lucassen für sein Projekt “Ayreon” nichts als Absagen von den Plattenfirmen bekommen hat. Für diese Musik, hiess es, gäbe es keinen Markt. Der Markt war aber anderer Meinung und längst ist Ayreon eine etablierte Größe im Progressive-Rock-/Progressive-Metal Bereich. Seit 1998 werden in schöner Regelmäßigkeit Alben veröffentlicht. Vor 15 Jahren erblickte “01011001” das Licht der Welt, erreichte in Arjen’s Heimat, den Niederlanden, Platz 2 und einen respektablen Platz 18 in Deutschland. Grund genug, das Album mit einem Konzert zu feiern.
Allerdings ist es so, dass Arjen grundsätzlich nicht gerne tourt und der logistische Aufwand mit allen Mitwirkenden wäre außerdem enorm. Bevor also der Prophet zum Berg kommt, kommt der Berg zum Propheten und Arjen lädt die ganze Welt mal wieder quasi zu sich nach Hause in Tilburg ein. Dem Ruf folgen Ayreonauten aus 60 Nationen und die drei angekündigten Shows sind in wenigen Minuten ausverkauft. Auch der Verfasser blickte mit dem Ofenrohr in’s Gebirge. Zum Glück wurden kurze Zeit später zwei Zusatzkonzerte angekündigt und so klappte es zumindest mit dem Auftritt am Samstag den 16.9. um 13:30 Uhr.
Wie schon zuvor fand das Konzert im Poppodium 013 statt, das etwa 3000 Besucher fasst. Rund um das 013 gibt es jede Menge gemütliche Pubs und Cafe’s, die schon von Heerscharen meist schwarzbekleideter Fans in Beschlag genommen wurden. Wer ein Ayreon-Shirt von einer vergangenen Show besitzt trägt es meist stolz, ansonsten findet sich viel Artverwandtes wie Blind Guardian und Avantasia, aber auch ein Behemoth-Shirt lässt sich entdecken.
Vor der Halle teilt sich die Mengen in zwei Gruppen. Die einen stehen an um in das Konzert zu gelangen, die anderen versuchen ihr Glück mit dem Popup Store, der ebenfalls im Gebäude untergebracht ist. Von 9 bis 18 Uhr ist er nur von außen zu erreichen, ab 19 Uhr, also für die Abend-Shows, von innen. Leider kommt er mit dem Andrang nicht zurecht, so dass sich bis in den Abend hinein eine lange Schlange bildet.
3000 glückliche Fans fiebern aber erst mal dem Konzert in der Halle entgegen. Die vordere Hälfte vom 013 bildet eine ebenerdige Arena, danach steigt die Halle in Stufen an. Zusätzlich gibt es noch eine Empore. Somit haben auch weniger hochgewachsene Fans die Möglichkeit einen guten Blick auf die Bühne zu bekommen. Die ist erst einmal mit einem gr9ßen Vorhang abgehängt, auf dem sich Nullen und Einsen in verschiedenen Größen befinden.
Wie fast alle anderen Ayreon-Alben ist “01011001” ein Konzeptalbum. Thema ist der Verfall einer außerirdischen Zivilisation namens “Forever” auf dem Planeten “Y”. Das erklärt auch den ungewöhnlichen Albumtitel, denn “01011001” ist “Y” in Computersprache. Genaugenommen in ASCII Code und der geneigte IT-Nerd wird sich fragen, warum eine fortschrittliche außerirdische Zivilisation nicht wenigstens Unicode verwendet.
Bevor das Konzert beginnt, begrüsst Micheal Mills (Toehider) die Menge und bittet darum, die Smartphones in der Tasche zu lassen und lieber das Konzert zu geniessen, welches ohnehin professionell gefilmt wird. Der Bitte wird im allergrößten Ganzen nachgekommen, nur ein paar Handy-Displays lassen sich während des Konzerts hin- und wieder erblicken. Mal nicht die Bühne über einem Meer von Smartphone Displays betrachten zu müssen ist äußerst angenehm.
Nachdem der Vorhang gefallen ist, wird erst einmal die Band vorgestellt, wobei die Musiker nach und nach auf die Bühne kommen. Arjen greift größtenteils auf seine bewährte Mannschaft zurück, angefangen mit Tasten-Magier und Universalgenie Joost van den Broek (Ex After Forever), der auch wesentlich an der Realisierung des Konzerts beteiligt war. Die Gitarenarbeit teilen sich Marcel Coenen (Godscum) und Timo Somers (Ex Vengeance, Ex Delain), letzterer auch bekannt von Arjen’s jüngstem Projekt “Supersonic Revolution”. Den Bass übernimmt Johan van Stratum (Ex Stream of Passion, VUUR) und am Schlagzeug sitzt Arjen’s langjähriger Weggefährte und Ex-Gorefest Schlagzeuger Ed Warby. Komplettiert wird die Band von Ben Mathot (Dis) an der Geige, Jurriaan Westerveld am Cello und Jeroen Goossens (Flairck) an der Querflöte. Alle tragen einen schwarzen Mantel und als sie sich umdrehen ergeben die Zahlen auf dem Rücken den Albumtitel 01011001, ein starker Effekt zum Einstieg!
Natürlich wird 01011001 am Stück aufgeführt und so startet das Set wenig überraschend mit dem über 10 Minuten langen “Age of Shadows”. Die Band legt mit einem stampfenden Rythmus los. Ben Mathot setzt mit seiner Violine und einer eher klassischen Melodie auf dem soliden Fundament auf.
Die Bühne ist ein bisschen wie ein Puppenhaus aufgebaut. Vorne am Bühnenrand steht die Saitenfraktion, auf einer zweiten Ebene in etwa 1,5 Metern Höhe befindet sich rechts vom Publikum aus Ed Warby mit seinem Kit, auf der linken Seite das Ensemble mit Geige, Cello und Flöte. Rechts oben in etwa vier Metern Höhe ist der Background-Chor mit Marcela Bovio, Irene Jansen und Jan Willem Ketelaers. Links oben wirkt Joost van den Broek hinter einer eindrucksvollen Ansammlung von Tasteninstrumenten. In der Mitte, etwas tiefer befindet sich eine weitere Plattform, auf der zwei Toms aufgebaut sind.
Hinter der Konstruktion befinden sich 5 große vertikale Leinwände, die den ersten Song mit Animation von Kolben untermalen. Zwei weitere kleine Leinwände befinden sich vor dem linken und rechten unterem Podest.
Den ersten Gesangspart übernimmt wie auf der Platte Tom Englund (Evergrey). Wie jeder folgende Sänger wird er mit lautstarkem Jubel begrüßt. Leider nicht Gotthard’s Steve Lee, der 2010 bei einem tragischen Verkehrsunfall um’s Leben kam. Seinen Part im Chorus übernimmt Michael Mills. Wie im Original zusammen mit Daniel Gildenlöw (Pain of Salvation). Nach einem kurzen Tapping-Solo von Marcel betreten Hansi Kürsch (Blind Guardian) und Brittney Slayes (Unleash the Archers) die Bühne. Letztere bekommt die knifflige Aufgabe, Floor Jansen zu ersetzen und löst diese mit Bravour. Hansi singt Hansi und ist stark bei Stimme wie immer. Der Song geht über in einen ruhigen Teil, der von Timo mit einer cleanen Gitarre getragen wird. Als Sänger ist Jonas Renkse (Katatonia) an der Reihe, auch er frenetisch begrüsst vom begeisterten Publikum. Langsam nimmt das Stück wieder fahrt auf, während Anneke van Giersbergen (Ex The Gathering) ihren ersten Auftritt hat. Der Chor singt die binären ASCII Sequenzen für “help, help”, “forever” und “s.o.s.” wobei die unregelmässige Abfolge von Nullen und Einsen einen interessanten Effekt ergibt. Hansi und Brittney kommen für die Brücke zurück, den anschliessenden Chorus singen neben Michel und Daniel nun auch John JayCee Cuijpers (Praying Mantis). Tom lässt das Stück ausklingen.
Im Text bauen die Forevers, die eigentlich im Ozean leben, riesige Maschinen, die so groß sind, dass sie die Sonne verdecken. Von diesen werden sie mehr und mehr abhängig und verlieren nach und nach ihre Emotionen.
Anschliessend folgt “Comatose”. Ein ungewöhnlicher, fast schon hypnotischer Song, eingeleitet von Michael an den vorhin erwähnten Toms und analogen Synthie-Sounds von Josst. Auf dem Album ist Comatose ein Duett von Jorn Lande und Anneke. Da Jorn leider nicht dabei ist, übernimmt Damien Wilson (Ex Treshold) seinen Part. Stimmlich ist er deutlich anders aufgehängt und drückt den Song somit seinem eigenen Stempel auf, eine etwas andere, ebenfalls sehr schöne Version.
Inhaltlich beklagt Damian den Dämmerzustand, in dem sich die Forevers mittlerweile befinden. Annecke hingegen besingt die Vorteile, keine negativen Emotionen und Ängste mehr zu haben. Zum Ende hin gibt es ein kurzes Solo auf der Geige.
Weiter geht es mit “Liquid Eternity”. Liquid Eternity ist die Droge, die den Forevers ewiges Leben schenkt, aber auch immer mehr abstumpfen lässt. Der Song wird von mehreren Vokalisten umgesetzt. Die Band legt zum Anfang wieder ein wuchtiges Rythmusfundament. Die Videoleinwände zeigen Zylinder in denen Luftblasen aufsteigen. Die Strophe wird nur von Keyboards getragen und abwechselnd von Jonas und Daniel gesungen. Den stampfenden Chorus singt Maggy Luyten (The Prize). Dazwischen kommt Damien zurück. Bob Catley wird von Tom übernommen. Den Mittelteil darf Jeroen mit der Flöte einleiten, anschliessend übernimmt Joost mit einem Synth-Part, worauf Ben mit der Geige folgt. Im Original schliesst sich ein kurzes Duett von Jorn und Floor an. Eigentlich kaum zu ersetzen aber Magali steht eh schon auf der Bühne und darf zeigen, dass sie auch Jorn kann, und wie! Floor wird erneut gekonnt von Brittney übernommen. Im Laufe des Konzerts kommt es auf diese Weise zu einer Reihe von sehr interessanten Duetten, die es so vielleicht gar nicht mehr geben wird. Den abschliessenden Chorus teilt sich Brittney mit Tom.
Viele fiebern wahrscheinlich bereits dem folgenden Auftritt von Ayreon Mastermind Arjen Anthony Lucassen entgegen, der oben in der Mitte mit einem langen roten Umhang erscheint. Arjen ist der mit Abstand größte Sänger von allen, überragt seine Kollegen teilweise um mehr als einen Kopf. Stimmlich kann er mit der Ausnahmetruppe nicht mithalten, wofür er sich im Vorfeld schon augenzwinkernd entschuldigt hat. Der Song “Connect the Dots” ist aber auch weniger fordernd als das bisherige Material. Hauptsächlich getragen von Keyboards und Akustikgitarre greift er der Story etwas vor und beschreibt die gegenwärtige Menschheit auf der Erde, die sich das Leben mit Computerspielen und Convenience-Produkten versüsst ohne sich den daraus resultierenden Problemen zu stellen.
Anschliessend wird es wieder episch mit “Beneath the Waves”. Die Halle wird von Fächern aus Laserbeams durchzogen während Timo mit cleaner Gitarre beginnt. Die Strophen teilen sich Daniel und Damien, der Chorus wird von Annecke’s elfenhafter Stimme getragen. Nach einem kurzen Solo von Marcel geht das Mikro wieder an Michael. Im Chorus gesellt sich Brittney dazu. Der treibende Mittelteil lässt die Menge die Faust in die Höhe recken. Als nächstes kommt Hansi wieder auf die Bühne, begleitet von Brittney und Annecke. Im Gesang wird fröhlich weiter routiert, die nächste Strophe übernimmt Tom. Auch John Jaycee ist wieder zu hören und zu sehen. Der Song klingt mit einem Flötenpart über erneut stampfenden Gitarren aus. Die Forevers beklagen in Beneath the Waves ihr glückliches Leben, das sie einst innerhalb der Ozeane geführt haben.
“Newborn Race” startet anschliessend beschwingt mit Akkustigitarren und Keyboards und geht musikalisch ein gutes Stück zurück in die 70er. Am Mikro beginnen Daniel und Brittney. Die Forever hecken einen Plan aus, um ihre DNA per Komet auf einen lebensfähigen Planeten zu schicken und quasi noch mal von vorne zu beginnen. Auf den Video-Leinwänden werden Szenen mit Dinosauriern gezeigt, zu denen wir aber erst später kommen.
“Ride the Comet” leitet Ed mit einem treibenden Rythmus ein. Jonas und Tom teilen sich die Strophe, dazwischen schaltet Brittney in den Floor-Jansen-Modus. Den Chorus übernimmt wie im Original Maggy. Anschliessend gibt es eine amtliche Shred-Battle zwischen Marcel und Timo. Die Forevers haben mittlerweile extremophile Bakterien modifiziert um ihre DNA in den Weltall zu schicken auf der Suche nach einem passenden Planeten.
Ein bisschen aus der Reihe schlägt “Web of Lies”, der nächste Titel. Das ist schon daran ersichtlich, dass ein Schreibtisch mit einem Computer nebst großen Röhrenmonitor auf die Bühne geschoben wird. An der Tastatur sitzt Simone Simons (Epica) während sich ein analoges Modems in das World Wide Web einwählt.
Simone schreibt Nachrichten an einen gewissen PX, den sie zwar noch nie gesehen hat, aber von dem sie bereits weiss, dass er der Richtige für sie ist. Nur erhält sie erst mal keine Antworten auf ihre Avancen. Letztlich antwortet PX doch noch in Form von Phideaux Xavier (Phideaux). Dieser erscheint für den super-kurzen Auftritt jedoch nur auf den Leinwänden. Viel Eindruck hat er bei Simone wohl nicht hinterlassen den sie wendet sich nun einem gewissen QL zu. Den hat sie zwar noch nie gesehen, aber erneut weiss sie bereits dass er der Richtige für sie ist.
Im Album steht nun der Wechsel auf Disc 2 an, eingeleitet mit “The Fifth Extinction”, wieder ein sehr langer Track der mit ruhigen Akkustik Gitarren und Synthesizern beginnt. Der Komet steuert inzwischen auf einen unbedeutenden kleinen blaugrünen Planeten zu, der um eine kleine gelbe Sonne kreist. Dummerweise wird der bereits von Dinosauriern bevölkert und unter den Forevers bricht eine lebhafte Diskussion aus, ob es ethnisch vertretbar ist, die armen Tiere in’s Nirwana zu pusten. Den Diskurs tragen unter anderem Hansi, Tom und Jonas aus. Die Strophen sind eher wuchtig mit abgestoppten Akkorden, denen ein eher luftiger Chorus gegenübergestellt wird. Letztlich schlägt der Komet auf der Erde ein und besiegelt das Ende der Schreckensechsen.
“Waking Dreams” beginnt wieder mit 70ies Keyboards, untermalt von Bass und Schlagzeug, während Jonas die Strophe singt. Den Chorus übernimmt Annecke zu den cleanen Gitarren von Marcel und Timo. Nach dem zweiten Chorus bekommt Joost die Gelegenheit zu einem spacigen Keyboard-Solo. Marcel schliesst sich mit einem gefühlvollen Gitarrensolo an, welches Timo ebenso gefühlvoll fortführt. Dass die musikalische Sozialisation von Arjen in den 70ern stattgefunden hat, tritt dabei deutlich zutage. Unsere Forevers nutzen den Song um zum Ausdruck zu bringen, dass sie ihre Hand über die Menschen halten werden, welche sich langsam daran machen, die Erde zu übernehmen.
Als nächstes betrifft Arjen wieder die Bühne. Betreten ist aber das falsche Wort, tatsächlich wird er auf einem Krankenbett hineingeschoben während die Leinwände Bilder von Krankenhauskorridoren zeigen. “The Truth is in Here” ist ein Duett von ihm und Liselotte Hegt. Der arme Arjen alias Mr. L wird von Visionen geplagt, mit denen die Forevers die Menschheit davor warnen wollen, die selben Fehler wie sie selbst zu begehen. Liselotte versucht mit der Pharmakeule zu helfen. “Wer Visionen hat soll zum Arzt gehen” sagte schliesslich schon Helmut Schmidt.
In “Unnatural Selection” geht es darum, dass die Forevers sich nun streiten, ob sie die Entwicklung der Menschheit ein bisschen anschieben sollen mit ihrem technischen Wissen oder ob sie ihr damit nicht letztlich einen Bärendienst erweisen. Der Song wird wieder von Keyboards eingeleitet, geht dann aber eher rockig zu Werke. Tom vertritt die These dass der Menschheit auf die Sprünge geholfen werden sollte, Michael meint dass sie damit nur den selben Fehler wiederholen. Im folgenden schalten sich John Jaycee, Damien und Hansi in die Diskussion mit ein. Begleitet von Laserbeams nimmt der Song weiter fahrt auf, während die Forevers in Form von Michael und Damien schaudernd feststellen müssen, wie ihr Wissen von den Menschen missbraucht wird. Der Song wird nun wieder ruhiger während Jonas sich fragt ob sich das drohende Unheil noch abwenden lässt. Zum wuchtigen Finale kommen Irene und Marcela nach vorne auf die Bühne.
“River of Time” beginnt mit dem Ticken von Uhren und einer luftigen Akustikgitarre, die von einer Flöte begleitet werden, was dem Intro einen folkartigen Anstrich verpasst. Spätestens mit den Keyboards ist klar dass es sich nach wie vor um Musik von Ayreon handelt. Hansi und Damien starten im Duett, mal abwechseln, mal zusammen. Im Mittelteil steht die Geige im Mittelpunkt bis sich ein kurzes Solo auf der Querflöte anschliesst und Hansi und Damien zurückkommen. Der Song klingt aus mit Solos von Timo und Marcel und einem schönen Flöten-Solo von Jeroen. Auf Y beschliessen die Forevers, nun gesungen von Hansi und Damien, den Menschen die Technologie zu geben um Nachrichten rückwärts in der Zeit zu schicken. Damit haben sie die Möglichkeit, sich vor sich selbst zu warnen. Der Mittelteil bietet Platz für ein folkiges Flötensolo.
Auf der Erde erträumt sich ein Wissenschaftler, verkörpert von Wudstik, die Masche mit der Zeitmanipulation. Zusammen mit Marjan Welman (Autumn) schickt er also flugs eine Warnung in die Vergangenheit. Dazu brechen sie die Gleichung “E=mc²”. Das ganze geschieht im Wechsel zwischen ruhigen Strophen und einem epischen Chorus. Leider ändern sich nur eine paar Zeilen in einer mittelalterlichen Chronik. Details sind dem Ayreon Debüt “The Final Experiment” zu entnehmen.
Am Ende hat also alles nichts geholfen und “The Sixth Extension” nimmt ihren Lauf. Ein dissonantes Cello kündigt den Untergang an, kurz darauf setzen abgestoppten Gitarren ein um dann Platz für eine ruhige Strophe mit Tom und Michael zu machen. Die Gitarrenwand kehrt zurück und immer mehr Sänger schrauben den Bombast-Faktor immer weiter nach oben. Schliesslich bricht das Jahr 2085 an, die Erde ist zur nuklearen Wüste geworden und Jonas beklagt in einer düsteren Strophe, fast nur von Ed’s Toms und Marcels angezerrten Akkorden getragen, das Ende der Menschheit. Mit einer beschwingten Keyboardmelodie denken einige der Forevers, sie können es doch noch hinbiegen. Nach einer weiteren düsteren Passage mit abgedrehten Keyboards fällt der Blick auf den Mars wo der letzte verbliebene Mensch als ein neuer Migrator wieder Leben in das Universum bringen kann. Aber das ist eine andere Geschichte und wird vielleicht ein anderer mal erzählt. Im Tilburg der Gegenwart sind nach und nach alle 26 Musiker auf die Bühne zurückgekommen wobei sich die Lead-Vokalisten mit kurzen Solos abwechseln, die schliesslich in einen großen Chor münden, lautstark beklatscht vom euphorischen Publikum.
Nachdem der tosendem Applaus langsam abklingt hält Arjen, wieder im roten Umhang, eine kurze Rede in der er sich bei den Fans bedankt, auch für ihr erscheinen aus allen Ecken der Welt, was ihm das Touren erspart. Und weil er ohnehin. nicht tourt, ist 01011001 auch mit dem Hintergedanken entstanden dass es eh nie Live aufgeführt wird. Nur, dass es nun eben doch dazu gekommen ist. Viel dazu beigetragen hat Arjen’s Partnerin Lori Von Linstruth, welche auch am Pult steht. Ebenso bedankt er sich bei seinem Bruder Gjalt, der ebenfalls anwesend ist. Und natürlich Sidekick und Partner in Crime Joost, der auch noch eine kurze Ansprache hält.
Ohne Zugabe wird das Publikum allerdings nicht zurück in’s sommerliche Tilburg geschickt und ohnehin wäre es eine Schande wenn Simone Simons nur ein Lied zu singen gehabt hätte, das noch dazu keine 3 Minuten lang ist. Und so startet der Zugabenblock mit Simone und “This Human Equation” vom aktuellen Ayreon Album “Transitus”. Darauf singt sie einen Engel, der sich sehr über das komische Verhalten der Menschen wundert und versucht, diese Human Equation zu lösen. Tatkräftig unterstützt wird sie vom Background-Chor. Auf der Leinwand lodert derweil das Höllenfeuer, Flammen brennen am vorderen Rand der Bühne und immer wieder werden Rauchfontänen von der Bühne geblasen. Der Song klingt aus mit einer mehrstimmigen Gesangsmelodie.
Die zweite Zugabe ist das erste Lied von Arjen’s letzten “Star One” Album, “Fate of Men”. Dessen Sängerin Brittney Slayes ist ja praktischerweise ebenfalls anwesend. Thematisch geht es um den Kampf gegen die Terminator. Nach einem eher ruhigen, Ayreon-artigen Keyboard-Intro nimmt der Song mit einem flotten Lauf auf Gitarren und Keyboard fahrt auf. Strophen und Chorus werden von Powerchords getragen, die immer wieder durch schnelle Läufe unterbrochen werden. Beim Solo darf Timo mächtig aufdrehen Auf den Videoleinwänden stapfen die aus dem Kino bekannten Maschinenmenschen durch die Gegend, wobei das Licht zwischen rot und blau wechselt. Am Schluß geht noch mal ordentlich der Rauch auf.
Stellt sich die Frage, was sich da noch oben drauf setzen lässt? Die Wahl fällt auf “The Day that The World breaks Down” vom vorletzten Ayreon Album “The Source”. Los geht es sehr verhalten mit Joost’s Keyboards und der Stimme von Damien. Flöte und Cello kommen dazu bis schliesslich und wuchtig die komplette Band einsetzt. Nach einem für Ayreon-Verhältnisse recht harten Riff ist Daniel wieder auf der Bühne.
Sehr schön: Zum Abschluss darf auch der Background Chor Leads übernehmen. Jan Willem übernimmt die Brücke mit Simone, Maggy rockt den Chorus, anschliessend geben sich John Jaycee und Hansi wieder die Ehre. Zu einer mehrstimmig gesungenen ASCII-Sequenz kommt Michel als Android TH-1 verkleidet auf die Bühne, seine anderen Stimmen kommen notgedrungen vom Band wobei insgesamt fünf Michaels von den Leinwänden herunterschauen. Zusammen singen sie übersetzt “trustTH1”. Ein cooler optischer sowie akustischer Effekt. Danach geht es groovig weiter mit der Band und Tom kehrt auf die Bühne zurück, im Duett mit Annecke. Nach einem geschmackvollen Solo von Marcel legt die Band wieder richtig los und die Backgroundsängerinnen Irene und Marcela kehren vorne auf die Bühne zurück. Abschliessend kommen alle noch mal auf die Bühne und lassen sich gebührend vom frenetischen Publikum feiern. Es gibt noch das obligatorische Foto von der Band mit dem Publikum im Hintergrund für’s Familienalbum und damit geht ein magischer Konzertabend zu Ende.
“Bis zum nächsten mal” werden sich die Massen gedacht haben, als sie zurück in Tilburgs Cafe’s und Bars geströmt sind oder es noch mal mit dem Popup Store versucht haben. Und vielleicht jonglieren Arjen und Joost schon wieder mit Ideen? 2025 werden die Migrator-Alben 25 Jahre alt und könnten “01011001” auch thematisch elegant fortführen…
Verfasst im September 2023
von Oliver Hahn
Fotos von Oliver Hahn