CD Review: Haggard – Have You Ever Seen Worlds Progressive Technology? (1994)

Es war einmal vor langer Zeit, nämlich im Jahre 1994, da veröffentlichte die Band Haggard unter Führung ihres Masteminds Asis Nasseri, die erste EP. Sie trägt den Namen „Have You Ever Seen Worlds Progressive Technology?“ und war damals, gemessen an den musikalischen Ideen und deren Umsetzung ihrer Zeit schon ein ganzes Stück voraus! Es war wohl der „Prototyp“ einer dann folgenden interessanten musikalischen Entwicklung! Leider ist sowohl die Originalausgabe wie auch eine Nachpressung der CD aus dem Jahre 2008 im Handel kaum mehr erhältlich.


Heute verbindet Haggard klassische und mittelalterlich angehauchte Klänge mit dem melodischen Death-,sowie dem progressiven- oder auch dem symphonischen Metal. Zu diesem Zwecke wird mit teils hohem Aufwand eine ganze Armada an Musikern aufgeboten die neben den originären Metal Instrumenten auch die klassischen Werkzeuge wie z. B. Streich, Tasten und Blasinstrumente in Verbindung mit den verschiedensten Gesangstechniken, angefangen von Clear und Growl Vocals über Sopran bis hin zu Tenor und Bassstimmen einsetzen.
Bei der Produktion der ersten EP waren die Möglichkeiten hier noch begrenzt. Es kamen mit Asis, Andi, Lutz und Mike vier Musiker zusammen, die das strenge Konzept des Frontmanns umsetzten.
Produziert wurde das Werk bei 1 More Flop Records und innerhalb von drei Tagen eingespielt. Der Output ist im Hinblick auf die damaligen technischen Möglichkeiten erstaunlich gut gelungen! Die Idee, Thrash und Death Elemente mit progressiven und melodischen Komponenten zu versehen, war wie schon gesagt, zu damaliger Zeit sehr interessant und bemerkenswert vor allem aber für die weitere Entwicklung der Band wegweisend!

So lautet der erste Titel der EP Charity Absurd. Mit schönen gezupften Gitarren und einem begleitendem Clear Gesang startet das Stück, das von einer Hexenverbrennung im Mittelalter handelt. Ein unschuldiges Opfer wird mittels Folter durch einen Kirchenvertreter gequält und dadurch zu einem Geständnis gezwungen. Das Urteil wird vollstreckt. Es stellt sich im Anschluss die Frage nach der Nächstenliebe und dem Gottesgericht für die Ankläger.
Musikalisch bringt die Gitarre in der Folge helle Töne hervor, bevor die zweite Gitarre
hinzukommt. Dann steigt Asis Nasseri mit seinen tiefen Growls im Thrash Rhythmus in das Geschehen ein. Die Saiteninstrumente werden melodischer und das Schlagzeug treibt den Gesang, der zwischen Growls und Clear Vocals wechselt, nach vorne. Das Schlagzeug geht kurzzeitig abermals in den Thrash Modus über. Im weiteren Verlauf schwankt das Stück zwischen progressiven Segmenten und melodischen Passagen.
Ebenso wechselt sich die Clear Stimme mit den Growls in harmonischer Weise ab. Nach einer schnelleren Passage spielen sich die Gitarren in den Vordergrund und das Schlagzeug geht auf Tempo. In Anschluss wird es ruhig und melodisch. Jedoch nicht lange! Der Sänger bringt noch mal seine Voices ein, die zwischen Clear und Growl Vocals wechseln. Die Gitarre setzt gegen Ende des Songs zu einem Solo an, bevor langsame Klänge den Track abschliessen.

Im zweiten Stück, das den Titel Mind Mutilation trägt, geht es um eine Verstümmelung des Geistes eines Kindes durch Gewaltanwendung, Manipulation und Missbrauch durch einen Menschen mit krankem Verstand. Im Umfeld haben alle zugesehen, keiner hat sich eingemischt. Ein unverzeihliches Verbrechen! Das Stück beginnt in diesem Sinne mit einer durch die Gitarren erzeugten progressiven Melodie. Asis Nasseri führt den Song bedingt durch seine tiefen, langsamen Growls in den Doomkeller. Dann spielt sich das Schlagzeug in den Vordergrund, bevor die Gitarren das Geschehen übernehmen. Tiefe Growls im Mid-Tempo erzeugen eine dunkle Stimmung. Interessante Kombinationen zwischen Thrash und doomigen Phasen geben dem Song eine interessante Struktur. Nach dem Einsatz der Clear Stimme erfolgt ein schönes Gitarrensolo. Das Schlagzeug treibt die Saiteninstrumente und den Gesang dann taktvoll seinem Ende zu.

Incapsuled ist der folgende Song des Silberlings. Die Gitarreneinspielung steigert sich progressiv.
Der Sänger erzählt die Geschichte des Opfers eines tragischen Unfalls ohne Überlebenschance, dass
mittels Maschine künstlich am Leben gehalten wird, jedoch ein Kind erwartet. Es stellt sich die Frage, dem Kind das Recht am Leben zu geben oder zu nehmen. Wer darf diese Entscheidung treffen? In diesem Sinne geht der Song langsam und bedächtig weiter und der Gesang wechselt zwischen Clear und Growl Voices. Markante, auch progressiv wirkende Gitarrenriffs setzen ein, während die Beats schneller werden. Die Stimme passt sich dem Tempo an und es folgen einige Rhythmuswechsel. Dann darf die Gitarre zu einem Solo ansetzen. Im progressiven Stil wird das Lied zu Ende gebracht.

Der nächste Track ist Progressive! Dieser Name ist Programm! Progressiv geht es los! Es folgen langsame Clear und Growl Vocals im Wechsel. Der Song bewegt sich im Mid-Tempo. Zum Ende hin, trägt der Sänger noch einige tiefe Growls bei. Der Text ist wie der Song: Kurz und deutlich! Es geht um Kriege, die zur nuklearen Selbstvernichtung führen.

Der Abschusssong des Tonträgers ist Daddy Was Her First Man. Dieser Track ist einer von zwei Titeln, die bereits auf dem Premiere-Demoband der Band enthalten sind. Es geht hier um ein Mädchen, dass von ihrem alkoholisierten Vater vergewaltigt wird. Sie rächt sich durch einen Kastrationsschnitt an ihm. Die schrecklichen Gedanken werden ihr weiteres Leben prägen.
In diesem Sinne treten die Saiteninstrumente und das Schlagzeug im progressiven Stil in das Geschehen ein. Nach einem Tempowechsel fügt der Frontmann tiefe Growls hinzu, die im Wechsel mit einer langsamen, bedächtig und anklagend wirkenden Clear Stimme korrespondieren. Im weiteren Verlauf passt sich der Song der inhaltlichen Thematik an und wechselt demzufolge zwischen Thrash Elementen und progressiven Passagen.

Fazit:
In einer Zeit, in der sich traditionelle Metal Genres weiter entwickelten, erfolgte mit der Haggard EP „Have You Ever Seen Worlds Progressive Technology ?“ der Startschuss zu einer erfolgreichen Band Entwicklung. Wie schon erwähnt, beinhalten die musikalischen Strukturen der Songs des Mini-Albums in Bezug auf die damalige Zeit, bereits eine Menge innovativer Ideen, die sich im Rahmen der danach folgenden Alben nochmals deutlich weiter entwickelten.
Dem Mastemind Asis Nasseri ist es bereits in diesem frühen Werk gelungen, verschiedene Metal Stile so miteinander zu fusionieren, dass sich dadurch ein deutlicher Wiedererkennungswert für die Band ergibt.
Die Lyrics der EP beinhalten sozialkritische Texte, die auch heute noch aktuell sind und sich mit dem Soundbild in authentischer Weise verbinden. Es wird hier Klartext gesprochen!
Diejenigen, die diesen seltenen Tonträger im Regal stehen haben, können sich glücklich schätzen.
Vielleicht wäre es ja mal ein Idee, die Töne des Mini-Albums im Rahmen einer kleinen Serie auf eine Vinylscheibe zu pressen!

BandHaggard
AlbumHave You Ever Seen Worlds Progressive Technology? (1994)
Titel1. Charity Absurd (6:31)
2. Mind Mutilation (5:02)
3. Incapsuled (4:07)
4. "Progressive..." (1:33)
5. Daddy Was Her First Man (5:20)
LabelIndependent
GenreThrash, progressive und Melodic Death Metal
StudioalbumEP: Nr.1
Veröffentlicht20. April 1994
HerkunftDeutschland/München
Gründung1989
MembersAsis: Gesang, Gitarren
Mike: Gitarre
Andi: Bass
Lutz: Schlagzeug

Verfasst im November 2020
von Roland Hesse

 

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